Gemeinsam nachhaltig handeln. Für Wuppertal? Ein Blick in den Kooperationsvertrag

20 Seiten hat die neue Kooperationsvereinbarung, der heute zwischen SPD und CDU unterzeichnet wurde. Was steht drin, was kommt auf Wuppertal zu? Das Tal-Journal wirft mal einen Blick hinein. Der Volltext des Kooperationsvertrags findet sich hier zum Download.
In 5 Bereiche ist die Kooperationvereinbarung unterteilt: 
  • Finanzpolitik
  • Soziales, Jugendhilfe, Bildung und Familien
  • Wirtschaft, Strukturwandel und Clusterstrategie
  • Stadtentwicklung, Verkehr und Umwelt
  • Kultur und Sport

Finanzpolitik

In der Finanzpolitik ist das Ziel ein ausgeglichener Haushalt und damit die Erhaltung der eigenständigen Handlungsfähigkeit des Rates anstelle eines Sparkommissars der Bezirksregierung. Der ausgeglichene Haushalt und die Erfüllung der Bedingungen des Stärkungspakt Stadtfinanzen haben Priorität gegenüber allem “Bemühen, das soziale und kulturell vielfältige Wuppertal erhalten zu wollen”. Zur Unterstützung des Konnexitätsprinzips, das ist richtig und wichtig, soll auf allen Politikfeldern gekämpft werden, schließlich ist die Wuppertaler Haushaltsmisere zu einem großen Teil von Bundes- und Landesgesetzgebung beinflusst, ohne dass Stadt und Rat irgendeine Mitbestimmungs oder gar Zustimmungsmöglichkeit hatten.

Bürgerbeteiligung

Die Bürgerbeteiligung soll intensiviert und in ein schlüssiges Konzept überführt werden. Hierfür steht das neue Dezernat 5 und eine Arbeitsgruppe oder Komission ein.
“Dieses Dezernat soll neben der Verankerung der Bürgerbeteiligung möglichst zu Beginn des Verwaltungshandelns durch Verteilung von Verwaltungsaufgaben mehr Spielraum für Reformen in den einzelnen Bereichen der Wuppertaler Verwaltung schaffen. Der neue Aufgabenbereich mit seinen vielschichtigen, nicht zuletzt auch rechtlichen Problemen ist angemessen politisch u.U. mit einer eigenen Arbeitsgruppe oder Kommission zu begleiten.”
Das soll dann nicht nur die Akzeptanz von Kommunalpolitik, sondern auch Effektivität der Verwaltung erhöhen. Dies erfordert eine neue Transparenz und Informationskultur in der Verwaltung. (Nur in der Verwaltung, die CDU kann die Bürger auch weiter ignorieren…).

Verwaltungsreform und E-Government

Das Personalentwicklungskonzept soll fortgeschrieben werden, der Einsatz von digitalen Informations- und Kommunikationstechniken (E-Government) im Rahmen der Idee “Kunde Bürger” ausgebaut werden.
“Die Kooperationsfraktionen sind sich darin einig, dass gerade der Bereich des E-Government eine große Chance für die Verwaltung bietet, sich nach außen hin zu präsentieren, zu öffnen, auf Veränderungen einzulassen und somit eine hohe Akzeptanz auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger zu erlangen. Die Weiterentwicklung von E-Government muss daher strategisch stärker gewichtet und mit Ressourcen hinterlegt werden. Wir wollen, dass Wuppertal sich in dieser Perspektive einen Spitzenplatz im interkommunalen Vergleich erarbeitet.”

Soziales, Jugendhilfe, Bildung und Familien

 

Bildungskette und Inklusion

Der Ausbau der U3-Betreuung soll bis 2016 auf 40% gesteigert und bis 2020 soweit wie möglich in den Bereich der aktuellen Bedarfslage gelenkt werden. (Was auch immer das dann bedeutet). “Die Einrichtung von integrativen städtischen KiTa-Plätzen soll Schritt für Schritt umgesetzt werden.” Der Bestand an städt. evangelischen und katholischen Bekenntnisgrundschulen soll solange gesichert bleiben, wie diese Schulform gewählt wird. Im Offenen Ganztag soll möglichst bald eine 50% -Quote erreicht werden. Die Parteien wollen den Schulentwicklungsplan an der Bevölkerungsentwicklung orienteren, bekennen sich zu frühzeitiger Sprachförderung und der Medienentwicklungsplanung sowie dem Inklusionsplan. Die Junior-Uni soll gefördert werden, ohne dass hier Konkretes genannt wird.

Sozialräumliche Aspekte

SPD und CDU wollen mit einem Netzwerk zur Armutsprävention mit den Akteuren der Kinder und Jugendhilfe sowie den verschiedenen Bildungsinstitutionen ein Unterstützungs- und Förderangebot entwickeln. Familienzentren sollen flächendeckend in den Stadtteilen angeboten werden und plusKITas eingeführt werden, ohne dass dieser Begriff an der Stelle erläutert wird. Die Schulsozialarbeit soll von Bund und Land mit Nachdruck eingefordert werden. Zur Überwindung von Problemen bei der Integration, die als “große Chance für das kulturelle und gesellschaftliche Leben Wuppertals” gesehen wird, soll gemeinsam mit den Bezirksvertretungen Lösungsansätze formuliert werden. (Also mal schauen, gucken, überlegen und dann vielleicht auch machen. Ganz schön schwammig). Familien werden als Zukunftsmotor bezeichnet und das Ziel müsse eine “Stadt mit Zukunft für alle Kinder” sein. Dazu soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert werden. Die Einführung eines Familienpasses soll geprüft werden. Im Sinne des Landespflegegesetzes soll bis 2018 die Einzelzimmerquote in städtischen Altenheimen auf 80% gesteigert werden. 

Wirtschaft, Strukturwandel und Clusterstrategie

 

Wirtschaft und Strukturwandel

Bergische Universität und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sollen im Sinne einer „Innovationsregion Bergisches Land“ besser vernetzt werden. Fördermittel sollen besser abgerufen werden. Die Wirtschaftsförderung soll für kleine und mittlere Familienunternehmen und Handwerker Coaching-Angebote bereitstellen. Brachflächen sollen für die Wirtschaft reaktiviert werden, da aber diese oft in der engen Talachse liegen und deshlab aufgrund der Emissionsschutzgesetze schwierig zu erschließen sind, soll es auch Neuausweisungen geben:
“Dem Erweiterungsbedürfnis der Wuppertaler Wirtschaft ist möglichst zu entsprechen.”

Konkretes Entwicklungspotential wird neben den Ortslagen Linde (Ronsdorf) und dem Vohwinkler Bahngelände im Bereich Blombach-Süd in Ronsdorf gesehen. Ein Schwerpunkt der politischen Arbeit soll in der bergischen Zusammenarbeit liegen.

Clustervorsorge

Neben den traditionellen “Clustern” Elektroindustrie, Chemie & Farben sowie Metallverarbeitung sollen die neuen Cluster Gesundheitswirtschaft, Automotive, Eventmanagement, Kreativwirtschaft mit dem Schwerpunkt Industrial Design, Informations- und Kommunikationswirtschaft und Energieeffizienz gefördert werden und die Schwerpunktstrategie an diese Leitmärken angepasst werden.

Kommunale Unternehmen sollen bis 2020 nicht verkauft werden.

Stadtentwicklung, Verkehr und Umwelt

 

Stadtentwicklung

“In den nächsten Jahren muss es uns gelingen, ein noch klareres Leitmotiv herauszustellen, unter dem wir die Stadt entwickeln wollen.”

Die Quartiersentwicklungsgesellschaft soll zu einer “Stadtentwicklungsgesellschaft” ausgebaut werden, um Fördermittel zu aquirieren und Lösungsansätze für Problemquartiere zu entwickeln, zum Beispiel für das Problemfeld Schrottimmobilien. Der Prozess „Leitlinien zur Stadtentwicklung 2025″ soll fortgeführt werden. Kleinere und mittelständische Unternehmen sowie Handwerksbetriebe sollen größtmögliche Unterstützung der Wirtschaftsförderung erhalten. (Gehört das nicht eigenlich in das Kapitel zuvor?)
SPD und CDU unterstützen, wenig überraschend, die Projekte Döppersberg und IKEA. Wichlinghausen, Heckinghausen und Oberbarmen sollen im Rahmen des Projektes “Soziale Stadt” gefördert werden. Wuppertal soll auch als Universitätsstadt stärker hervortreten und der Austausch zwischen Universität, regionaler Wirtschaft und Kommunalpolitik gefördert werden.

Verkehr

“Das Leitbild einer Stadt, welches dem motorisierten Individualverkehr überwiegend Vorrang einräumt, entspricht nicht mehr den Bedürfnissen vieler Wuppertalerinnen und Wuppertaler nach einer gleichberechtigten Teilhabe anderer Mobilitätsformen. Durch die Umwandlung der Nordbahntrasse und den technischen Fortschritt bei Elektroantrieben für Fahrräder gewinnt das Fahrrad als Verkehrsmittel in Wuppertal immer mehr an Bedeutung. Des Weiteren wird der Anteil der ÖPNV-Nutzer aufgrund der demografischen Entwicklung auf einem konstant hohen Niveau bleiben. Gleichzeitig bleibt die Verkehrssituation um Wuppertal mit der mangelnden Ausbaufähigkeit der A46 und der prognostizierten Zunahme des Individual- und Schwerlastverkehrs angespannt.”

Die SPDCDU will also viel auf einmal. Mehr Fahrräder, gleichviel ÖPNV und eine bessere Autoinfrastruktur, weil mehr Individualverkehr prognostiziert wird. Dementsprechend befürwortet man den Ausbau der L419 in Ronsdorf. Ein neues ÖPNV-Konzept (so die positive Lesart) soll mit den Bürgern entwickelt werden. Ziele werden nicht genannt. Beim Abschnitt zur Fahrradstadt hat man offesichtlich den Artikel vom Talradler nicht gelesen, denn man bezeichnet die Nordbahntrasse als “kombinierten Fahrradfußweg” und nicht als Radschnellweg. Man hat sich darauf geeinigt, den Projektbericht des Wuppertal Instituts zu „Strategien zur Stärkung des Radverkehrs unter schwierigen Rahmenbedingungen, Analysen zu Hemmnissen und Potentialen am Beispiel der Stadt Wuppertal“ schrittweise zu berücksichtigen.

“Grundsätzlich sind sich SPD und CDU darüber einig, dass die zukünftige Gestaltung von Verkehrsflüssen stark durch den Aspekt der Nachhaltigkeit geprägt sein muss.”

Ob sich die Kooperationsparteien daran erinnern werden, wenn es an ÖPNV- und Straßenplanung geht?

Umwelt und Energieeffizienz

“Die Kooperationsfraktionen vereinbaren unter dem Aspekt der konsequenten Weiterentwicklung der Klimaschutzziele die nachhaltige Reduzierung der CO2-Werte im gesamten Stadtgebiet. Die Betrachtungen sind dabei nicht allein auf den Autoverkehr zu beschränken.”

Fördergelder wollen eingefordert, Windkraft und bäuerliche Landwirtschaft gefördert werden.

Kultur, Sport und Ordnungspartnerschaften

 

Kultur

“SPD und CDU bekennen sich uneingeschränkt zu allen drei Sparten der Wuppertaler Bühnen. Den anstehenden Transformationsprozess sowie die Klärung der Frage „Internationales Tanzzentrum Pina Bausch“ am Standort Schauspielhaus werden die Kooperationsfraktionen mit aller Kraft konstruktiv und positiv begleiten.”

Die Parteien wünschen sich eine bessere Kooperation mit der freien Kulturszene im Gesamtkulturangebot der “Kulturstadt Wuppertal”. Kultur im öffentlichen Raum gilt es weiter zu fördern und auszubauen, hierbei begrüßt man den Skulpturenpark Craggs, der allerdings nicht im öffentlichen Raum liegt, sondern im privaten. Junge Künstler sollen sich besser präsentieren können. Ein Kulturentwicklungsplan soll erstellt werden, ebenso eine kommunale Strategie für kulturelle Bildung, ein offensives Kulturmarketing soll Wuppertals Kulturszene besser nach Innen und Außen vertreten.

Sport

Nein, hier soll keine Strategie, kein Entwicklungsplan, kein Konzept erstellt werden. Die Wuppertaler Sportvereine sollen sich besser vernetzen und Sportstätten weiterhin kostenfrei nutzen können.

Ordnunsgpartnerschaften

“Die Kooperationsfraktionen vereinbaren, die Ordnungspartnerschaft zwischen Polizei und städtischem Ordnungsdienst in Bezug auf diesen Sicherheitsaspekt zu erweitern und zu intensivieren.”

Fazit

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Fantasie ist das Stichwort für dieses Fazit. Mit viel Fanatasie kann man in diesem Programm ein weitreichendes, kluges und engagiertes Handlungsmotiv erkennen und sich ausmalen, dass in den nächsten 6 Jahren vieles besser wird in Wuppertal. Mit viel Fantasie kann man aber auch jetzt schon schimpfen und heulen und fluchen. Und wer keine Fanatasie hat, oder sich nicht darauf verlassen möchte, dass er in die gleiche Richtung fantasiert wie die Kooperationsfraktionen, der kann die Fantasielosigkeit, die vagen Beschreibungen und vielen Überprüfungen, Entwicklungspapiere, Strategien und Konzepte, die erstellt werden sollen, als Beleg dafür nehmen, dass SPD und CDU ein Handlungsmotiv fehlt und man die Arbeit der letzten Jahre fortsetzen und es der Verwaltung überlassen will, Wuppertals Geschicke zu lenken. Was davon zutrifft? Wir werden es sehen – und wenn das zentrale Versprechen nach mehr Bürgerbetiligung gehalten wird, werden wir es gehörig beeinflussen können und mit unserer Fantasie diesen Kooperationsvertrag ausmalen können. So wie die i-Dötzchen ihre neuen Hefte.