Solidarisches Bürgerticket: Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge

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Im letzten Monat (Januar 2014) hat das Deutsche Institut für Urbanistik
(Difu) eine Arbeit im Rahmen der Difu-Papers vorgelegt, die sich mit der
Frage beschäftigt: “Ist das Beitragsmodell eine Handlungsoption zur
Finanzierung eines attraktiven ÖPNV-Betriebs?” Das Paper kann beim Difu für gegen ein Schutzgebühr von 5 € erworben werden. 
Natürlich kann hier nicht die ganze Arbeit von Tilman Bracher, Jürgen
Gies, Irene Schlünder und Thomas Warnecke zitiert werden, daher sollen
die groben Gedankengänge zum Beitragsmodell kurz geschildert werden, die
grundsätzlichen Überlegungen zum ÖPNV und den Herausforderungen bei der
Einführung des Bürgertickets werden nicht wiedergegeben.
Zunächst wird betont, dass der ÖPNV nicht nur für den, den er von A nach
B transportiert wird, einen Nutzen darstellt, sondern auch für
“Dritte”, die in der Regel allerdings nicht zur Finanzierung
herangezogen werden. Nutznießer des ÖPNV sind alle, die einen
Erschließungsvorteil haben, ähnlich der sonstigen Infrastruktur wie z.B.
Abwasserkanälen. Arbeitgeber, Handel, Gesundheitsdienste, Tourismus,
Großverantstaltungen und die Kommunen selbst profitieren indirekt vom
ÖPNV, denn sie müssen weniger Auto-Infrastruktur vorhalten. Autofahrer
selbst profitieren durch eine zuverlässige Alternative im Schadensfall,
für den Fall des Führerscheinentzugs, durch Entlastung des Verkehrs und
weniger Staus. Sie alle ziehen einen Nutzen aus den positiven externen
Effekten des Nahverkehrs und hierin begründet sich die Frage nach der
Hinzuziehung zur Finanzierung des ÖPNV. 
Die derzeitige paradoxe Situation des Nahvekehrs wird von den Autoren gut auf den Punkt  gebracht: 
“Aufgrund einer bereits stattfindenden und sich zukünftig noch
verstärkenden Erosion der finanziellen Basis droht der ÖPNV, in eine
Abwärtsspirale zu geraten. Dies leitet unmittelbar über zum zweiten
Kernargument: Defizite bei der Umwelt- und Lebensqualität, steigende
Energiekosten sowie die Alterung der Gesellschaft durch den
demografischen Wandel legen einen Erhalt des öffentlichen Verkehrs auf
hohem Niveau sowie seinen Ausbau und seine Qualifizierung nahe.”
Zur Auswahl für die rechtlichen Grundlagen eines Bürgertickets stehen
seitens des Abgabenrechts die Steuer, die nicht zweckgebunden ist, die
Gebühr, die nur für tatsächlich in anspruchgenommene Leistung erhoben
werden darf und der Beitrag zur Verfügung. Ein Beitrag kann bereits für
die “bloße Möglichkeit der Inanspruchname” erhoben werden. Die Frage,
die es zu untersuchen gilt, lautet also, ob ein Nahverkehrsbeitrag eine
zulässige Option zur Finanzierung eines Bürgertickets darstellt.
Alternative Finanzierungsmöglichkeiten werden in Kapitel 2 ausführlich
besprochen, doch darauf soll hier nicht der Fokus liegen. Diese Formen
werden bereits praktiziert:
  • Pflichtbeiträge auf gesetzlicher Grundlage
    • Semesterticket
    • Kurtaxe
    • Arbeitgeberfinanzierung (bsp. Wien und Frankreich)
  • Vertragliche Kooperation
    • Veranstaltungs/Kongress/Hotelticket
    • Jobticket/Firmenticket
    • Sponsoring

Was sind nun die Voraussetzung für die Erhebung eines Beitrags? 

Wie schon erwähnt wird ein Beitrag dadurch charakterisiert, dass man
potentiell die dafür angebotenen Gegenleistung in Anspruch nehmen kann,
aber nicht muss. Beispiele hierfür sind die Erhebung von
Straßenerschließungskosten oder auch der Rundfunkbeitrag. Das ermöglicht
auch den Kreis der Beitragszahlenden möglichst groß zu halten, um die
Beiträge für einzelnen zu verringern, Arbeitgeber können z.B. zusätzlich
zu den Einwohnern als Nutzerkreis beteiligt werden. Am Beispiel des
Rundfunkbeitrag lassen sich zwei Dinge verdeutlichen: Beiträge können
z.B. pro Haushalts erhoben werden und auch zur Finanzierung des
laufenden Betriebs und nicht nur für die Investition wie beim Straßenbau
erhoben werden. Im Gegensatz zur Steuer sind Beiträge zweckgebunden,
sodass keine Fremdfinanzierung erfolgen kann. 
Um einen Nahverkehrsbeitrag zu erheben, muss das Land in seiner
Gesetzgebung die Erhebung ermöglichen, und die zuständigen
Gebietskörperschaft dann eine Satzung erlassen. Nicht nur Kommunen wären
hierfür eine denkbare Option auch die Verkehrsverbünde. Eine
abschließende Prüfung der Verfassungskonformität kann aber nur für den
Einzelfall und entsprechende Ausgestaltung vorgenommen werden. 

Das Fazit der Autoren:

“Die Finanzierung der laufenden Kosten des kommunalen ÖPNV durch einen
kommunalen Pflichtbeitrag bietet sich als Ergänzung der bestehenden
Infrastrukturfinanzierungskonzepte, an denen Bund und Länder beteiligt
sind, an. […] [So] bietet eine beitragsfinanzierte Umlage eine neue
Chance, die ÖPNV-Finanzierung auf eine stabile Grundlage zu stellen,
und  – wenn der Beitrag als Alternative zu Fahrgelderlösen konzipiert
wird – den ÖPNV attraktiver zu machen. […] Nach dem deutschen Recht
lässt sich ein Nahverkehrsbeitrag als regelmäßiger Pflichbeitrag für
eine klar definierte Gruppe von Beitragspflichtigen unter den vom BVerfG
genannten Voraussetzungen grundsätzlich festsetzen.”

Tilman Bracher, Jürgen Gies, Irene Schlünder, Thomas Warnecke, unter
Beratung von Klaus J. Beckmann: Finanzierung des ÖPNV durch Beiträge.
Ist das Beitragmodell eine Handlungsoption zur Finanzierung eines
attraktiven ÖPNV-Betriebes?, in: Difu-Papers, Januar 2014.