Ich war am Donnerstag-Abend auf der Bürgerbeteiligungsveranstaltung des Kompetenznetz Bürgerhaushalt, den Live-Ticker kann man hier nachlesen. Ich bin vor allem dahingegangen, um die Meinung und Analyse der Parteien zu hören, mit denen ich bisher nicht das Vergnügen hatte, im persönlichen Gespräch oder bei Veranstaltungen über Bürgerbeteiligung, Ziel und Verfahren zu reden. Sowohl von den Grünen in personam Marc Schulz und von den Linken in personam Gerd-Peter Zielezinski habe ich den Eindruck, dass sie mehr und besser die Bürger in die politische Arbeit einbinden wollen, den Beweis konnten die Oppositionsparteien freilich noch nicht erbringen.
Nun also das volle Paket, CDU, SPD, FDP, Grüne und Linke auf einem Podium, das versprach eine spannende Diskussion – aber: CDU und FDP zogen es vor, nicht zu erscheinen. Wenn also OB Jung oder Fraktionsvorsitzender Müller demnächst mal wieder davon schwärmen, wie toll das Bürgerengagement in Wuppertal sei, sollte man dran denken.
Warum ich aber diesen Eintrag überhaupt schreibe, liegt an den Aussagen von Klaus-Jürgen Reese, Fraktionsvorsitzender der SPD. Was mir vor allem in Erinnerung geblieben sind, waren zwei Aussagen, die ich einfach noch einmal aus meiner Sicht kommentieren möchte, weil sie meiner Meinung nach zeigen, woran (nicht nur) die Bürgerbeteiligung in Wuppertal hakt. (Die jeweiligen Aussage sind nach meiner Erinnerung wiedergegeben, was natürlich Missverständnisse nicht ausschließt.)
Klaus Jürgen Resse wurde an einer Stelle von der Moderation gefragt, wie und ob denn die Parteien bei der Bürgerbeteiligung mitgearbeitet hätten, seine Antwort lautete: “Wir haben den Auftrag erteilt”. Natürlich hat die SPD auch für die Bürgerbeteiligung in ihren Kanälen geworben, aber die Rollenverteilung für die SPD-Fraktion ist klar: Die Politik beschließt, die Verwaltung führt durch und die Bürger füllen dann das, was die Verwaltung bereit stellt, mit Leben. Erst danach ist die Politik wieder am Zuge. Bürgerbeteiligung als Gemeinschaftsaufgabe scheint es bei der SPD nicht zugeben, der Rat als hohe Institution schwebt in seiner Erhabenheit über allem. Auch die direkte Ablehnung der Abgabe von Kompetenzen in diesem Prozess der Beteiligung an Bürger, ohne die Bereitschaft über die Möglichkeiten und Risiken zu diskutieren, passt in dieses Bild. Kommunalpolitik ist Ratspolitik.
Das alleine wäre ja noch nicht so schlimm, sondern durchaus eine vertretbare Meinung, aber weitere Äußerungen führen diese Meinung dann – in meinen Augen – ad absurdum. Auf meine Frage, warum der Rat auf Fehler im Beteiligungsverfahren (z.B. dass Vorschläge, die bereits umgesetzt werden, in der TOP 50-Liste erhalten bleiben) nicht reagiert hat, forderte Marc Schulz mehr Kontrolle durch den Rat und Herr Reese, Vorsitzender einer 19-köpfigen Ratsfraktion, verneinte in seiner Reaktion, dass die Kontrolle so kleinteilig möglich sei. Außerdem verwies Herr Reese mehrfach darauf, dass man die Verwaltung gebeten habe, das Verfahren auszuwerten. Ein Auswertung der SPD findet wohl nicht statt, die Verwaltung darf sich selbst beurteilen. Überhaupt vermittelte Herr Reese den Eindruck, dass die SPD-Fraktion die Gestaltungsmacht des Rates an die Verwaltung ausgelagert hat. Ich fand die Freimütigkeit, mit der Herr Reese das zugab, beeindruckend und war dann nach der Veranstaltung einigermaßen Politikerverdrossen.
Warum sollte man im Stadtrat sitzen, wenn nicht zu dem Zweck, die Stadtpolitik selbstdenkend zu gestalten, im Dialog mit den Bürgern und Fraktion die Stadt voranzubringen und vor allem die Kontrollfunktion der Legislative gegenüber der Exekutive gegenüber der Verwaltung wahrzunehmen? Kommunalpolitik, auch wenn sie nur ehrenamtlich geleistet wird, kann sich doch nicht darauf beschränken, Prüfaufträge an die Verwaltung zu erteilen und sich darauf zu verlassen! FDP-Stadtrat Schmidt hat in der letzten Ratssitzung (zu Wuppertal 2025 glaube ich) darauf hingewiesen, dass die Verwaltung Ratsbeschlüsse nicht ordnungsgemäß ausgeführt hat, doch auf einen Widerspruch der CDUSPD-Fraktion hat das nicht geführt. Es war ihnen egal, vielleicht sogar nützlich.
Wenn wir uns die Lage der Stadt Wuppertal zu Beginn des Jahres 2014 angucken, sehen wir viele Probleme, von denen die drängendsten, die Soziallasten, gar nicht hausgemacht sind. Aber wir haben auch einen Stadtrat, in dem die kolossale Mehrheit ein politisches Ethos an den Tag legt, dass ich nur schwer ertragen kann, und das für diese schwer angeschlagene Stadt höchst gefährlich ist.