Erkenntnisse der Tagung “Offene Kommunen NRW”

Am Samstag fand die Tagung “Offene Kommunen NRW” des Kompetenznetzwerks Bürgerhaushalt in der Barmer Gesamtschule statt. Als Veranstaltungsform wählte man das Barcamp, was bedeutete, dass die Teilnehmer selber Angebote für (bis zu vier parallele) Veranstaltungen in sogenannten dreiviertelstündigen “Sessions” anboten und die Tagesordnung selbst gestaltet wurde. Nachdem ich dieser Veranstaltungsform sehr skeptisch gegenüberstand, muss ich sagen: Das Konzept hat mich überzeugt. Die Hemmschwelle ist niedrig, man kommt leicht ins Gespräch und der unterschiedliche Hintergrund der Personen bietet ein große Themenvielfalt. 
Was habe ich aus den “Sessions”, an denen ich teilgenommen habe, mitgenommen?
  1. Bürgerbeteiligung im Netz kann mit erstaunlich einfachen technischen Mitteln realisiert werden – wenn man es will. Die Webseite miteinander-sparen.de/ eines Schülers aus Goch basiert auf der Blogging und Publishing-Plattform WordPress und präsentiert die Sparvorschläge der Verwaltung, arbeitet sie auf und stellt eine Bewertungsmöglichkeit zur Verfügung. Außerdem können aus der Bürgerschaft Vorschläge eingebracht und ebenfalls bewertet werden. Da stellt sich die Frage: Wenn es so einfach ist, warum macht man es dann nicht? Bürgerbeteiligung ist keine technische Herausforderung, sondern eine des Willens. Man muss nur bereit sein, etwas Arbeitskraft zu investieren.
    Noch eine Erkenntnis aus dieser Session: in unserer Gesellschaft gibt es so viele Menschen, die ihre Freizeit und ihr Können investieren wollen und einen Mehrwert für alle schaffen. Wir sollten sie nicht durch Nichtbeachtung verlieren.
  2. Ein interessantes Projekt ist ein “Stadtwiki” Wuppertal, wobei der Begriff vielleicht irreführt. Es geht nicht um eine zweite Wikipedia, die enzyklopädisch Wissen sammelt, sondern um eine zentrale Dokumentations- und Diskussionsplattform im Netz für Wuppertal. Ein Element – die Dokumentation – soll die Beiträge aus Zeitung, Parteien, Radio, TV, Pressemitteilung zu einer Debatte sammeln, zum Beispiel dem Projekt des Döppersberg-Umbau, des Schwebebahn-Umbaus, aktuell der Forensik für Wuppertal, der sechsten Gesamtschule etc, etc. Die Dokumentation soll die Informationen bündeln und zusammenfassen, sodass jedem Besucher/Nutzer ein Einstieg in die Debatte ermöglicht wird.
    Das andere Element soll die Debatte der Community/Bürgerschaft ermöglichen und will gleichzeitig diese Debatte dokumentieren. Es wäre in der einfachsten Form ein Wuppertal-Forum. Außerdem könnte man natürlich weitere Elemente integrieren, wie z.B. Termine oder auch einen redaktionellen Teil mit Berichten. 
  3. Was können wir aus der Bürgerbeteiligung zum Haushalt 2012 in Wuppertal lernen? (Siehe auch diese Beiträge im Tal-Journal.)
    • Bürgerbeteiligung zum Haushalt darf nicht erst starten, wenn die Verwaltung und die Politik schon hart um den Haushaltsvorschlag gerungen und ihn vorgestellt haben. Dann ist es zu spät “das Paket noch einmal aufzuschnüren”. 
    • Bei einer Bürgerbeteiligung zum Haushalt muss man in der Lage sein, das komplexe Konstrukt Haushalt  verständlich darzustellen.
    • Bürgerbeteiligung braucht ein Feedback der Politik. Es darf nicht sein, dass der Rat sich nicht an der Debatte beteiligt und die Vorschläge ohne Beschluss zur Kenntnis nimmt. 
    • Die Aufgabenverteilung zwischen Verwaltung und Politik muss klar geregelt sein. Es darf nicht sein, dass jeder nachher auf den anderen schimpft. 
    • Bürgerbeteiligung zum Haushalt ist beim Nothaushalt extrem schwierig, da es “nichts zu verteilen und nichts zu entscheiden gibt”, wenn die Bezirksregierung Druck macht. 
    • Bürgerbeteiligung braucht eine einfache, allgemeinverständliche Struktur und Sprache.
    • Es ist zu überlegen, ob ein Intermediär zwischen Politik/Verwaltung und dem Bürger als Mittler Erfolg versprechend ist, oder ob eine zusätzliche Instanz eher die Distanz zwischen den Akteuren erhöht.
    • Wer Bürgerbeteiligung will, muss bereit sein, Geld in die Hand zu nehmen.
  4. Wie kann es gelingen Bürger und Politiker näher zusammen zu bringen und warum kommen so wenige Politiker zu einer solchen Veranstaltung? (Je ein Stadtverordneter von SPD und Grünen war da, Dietmar Bell, SPD, MdL war ebenfalls für einige Zeit vor Ort) Genau darum, um “Politikerbeteiligung”, ging es in der letzten Session. Dabei wurde festgestellt, dass die Politik, aber auch die z.B. Befürworter der Bürgerbeteiligung, wie andere Gruppen auch zur Blasenbildung und die Herausbildung eines eigenen Netzwerkes neigt.
    Aber auch die Bürger halten Distanz zur Politik, schimpfen über “die Politiker” und zeigen sich dann überrascht, wenn dieser erklärt, dass man ihn jederzeit anrufe könne – aber kaum einer das Angebot annimmt. Außerdem führt die Struktur der Politik und ihre Sprache einerseits zu einer sinnvollen Professionalisierung, andererseits wächst auf der anderen Seite die Hemmschwelle und auch Unverständnis bei  den Bürgern. Doch es hilft nicht, wenn man einfach darüber schimpft, dass der Bürger z.B. auf Bezirksvertretungen nicht einfach das Wort ergreifen darf. Beide Seiten müssen Verständnis für einander entwickeln und die Hintergründe verstehen wollen. Kommunalpolitik ist Ehrenamt, also Leistung für die Bürgerschaft in der Freizeit.
    So ist ein ganztägiges Barcamp mit unsicherer Tagesordnung möglicherweise nicht die geeignete Form um viele Politiker zu binden, wenn diese sich schon mehr als andere für die Stadt und die Bürger einsetzen. (Wer sowieso nicht viel Zeit in das Ehrenamt investiert, hat auch kein Interesse an jeder weiteren Veranstaltung). Vielleicht würde auch eine ausgiebigere Medienberichterstattung helfen, dass mehr Leute und damit auch mehr Politiker an der Veranstaltung teilnehmen. Durch die Monopolisierung der Nachrichten bei der WZ als einzige Tageszeitung ist man hier allerdings abhängig von deren Redaktion.

Hab’ ich was vergessen?