“Bei diesen Veranstaltungen wurden viele zum ersten Mal über den Entwurf des Haushalts- und Haushaltssanierungsplans informiert. Um eine Basis für einen Dialog bezüglich der Konsolidierungsvorschläge zu bilden, hätten bereits im Vorfeld des Beteiligungsprozesses umfassendere Information erfolgen müssen.” (S.62)
An den drei öffentlichen Bürgerforen nahmen 130 Personen teil (20 in Elberfeld, 50 und 60 in Barmen), zu den 23 Sonderveranstaltungen auf Einladung von Bezirksvertretungen, Bürgervereinen, Kirchen, Unternehmen und Bürgervereine kamen 1.400 Interessierte (S.68 f.). Zu den Sonderveranstaltungen stellen die Verfasser der Projektarbeit fest:
“Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Präsentationen auf Einladung Dritter sowohl zur eigenen Informationsbeschaffung, über den Haushalts- und Haushaltssanierungsplan genutzt wurde, als auch zur Wahrnehmung einer aktiven Partizipationsmöglichkeit. Aber auch hier wäre bei einer Aufbereitung der dort unterbreiteten Vorschläge ein Erstellen eines Meinungstrends möglich gewesen.” (S.64)
Eine weitere Form der Beteiligung der Bürger war der des Briefes, der besonders im Anschluss an die erste Vorstellung des Haushaltsplans im Februar genutzt wurde. Neben Protest- und Zustimmungsbriefen kamen auch konkrete Vorschläge per Post bei der Stadt an und wurden von der Verwaltung per Aktenvermerk an die Ratsfraktionen weitergeleitet. Aufgrund der Menge der Briefe, deren Zahl zunächst nicht genannt wird, konnten nicht alle persönlich beantwortet werden, bei manchen wurde nur eine Eingangsbestätigung versendet (S.65). Bei einer Zahl von insgesamt 20 Briefen (S.69) ist das peinlich.
“Eine weitere Aufbereitung der Vorschläge ist, wie oben bereits erwähnt, nicht erfolgt.”(S.65)
Themenbereichen ein, die Zahl der Zugriffe belief sich auf 14.100 (S.69
f.). Die Verfasser des Projektforums urteilen:
“Dennoch war dort, wo sich ein Meinungsaustausch ergab, zu sehen, dass die Bürger nur allein unter sich diskutierten. Es fehlte an einigen Stellen der Standpunkt der Verwaltung oder der Politik, sodass die Foren schnell einschliefen. Aus diesem Grund sollte, um die Diskussion zu dynamisieren, eine Moderation innerhalb des Forums stattfinden. Dieser Moderator wäre für die Lenkung der Diskussion und Stellung von Nachfragen zuständig. Zudem sollte die Verwaltung sich selbst aktiv an den Diskussionen beteiligen. Dies gilt auch für die Politik. Dieses Bürgerforum ist auf ihre Anordnung hin erstellt worden, daher sollte sie als Initiatorin und auch zur eigen Repräsentation vertreten sein. Gleichzeitig sollten die gewählten Volksvertreter den Kontakt zur Bürgerschaft suchen und jede Möglichkeit des gemeinsamen Diskurses nutzen.”(67 f.)
Außerdem stellen die Verfasser der Projektarbeit fest, dass es den Vorschlägen nicht generell an Qualität mangelt und einige, wenn man diese formal aufbereite, sofort beschlussfähig wären (S.68).
Nach Beendigung des Online-Forums wurde eine statistische Auswertung dem
Ausschuss für Finanzen und Beteiligungssteuerung, dem Hauptausschuss und
dem Rat der Stadt Wuppertal in einer Verwaltungsvorlage vom 20.April
vorgelegt und darauf hingewiesen, dass die Vorschläge online zur Lektüre
zur Verfügung stehen. Von einer strukturierten Vorlage an die Ausschüsse
der Stadt, wie im Beschluss vorgesehen, war nun keine Rede mehr. Eine Auswertung der Vorschläge, so
der Standpunkt der Verwaltung, sei Sache der Parteien, ebenso das
Einbringen durch Anträge im Rat. Warum die Verwaltung auf diesen offensichtlichen Fehler im Beschluss nicht eher hingewiesen hat, wird nicht geklärt. Für die Auswertung durch die Parteien, deren Stadtverordnete sich ehrenamtlich engagieren, waren vom 20.April bis zum 7.Mai
16 Tage Zeit, was von der Projektarbeit nicht kritisch hinterfragt
wird.
Die Verwaltung behauptet, dass jeder Vorschlag im Online-Forum schriftlich beantwortet wurde (S.72). Die Verfasser der Projektarbeit prüfen dies nicht nach. Mein eingebrachter Vorschlag zum Fahrscheinlosen Nahverkehr über das Forum hat keine schriftliche Antwort der Stadtverwaltung erhalten, allerdings war ich bereits vorher mit dem Kämmerer und den Parteien in Kontakt. Warum eine solche Antwort in einem öffentlichen Forum nicht ebenso öffentlich erfolgt ist, wird nicht gesagt und auch nicht hinterfragt.
“Es zeigt, dass die Wuppertaler Medienlandschaft nur im nötigen Umfang zur passiven Berichterstattung genutzt wurde, statt diese an der aktiven Unterrichtung der Bürger zu involvieren”
Es wurde lediglich “das Nötigste” (S.114) getan, um die Bürger zu informieren. Das führt eine Bürgerbeteiligung ad absurdum.
Die Vermittlung der Haushaltspläne durch den Kämmerer Dr.Slawig wird (zurecht) gelobt. Die Möglichkeit der Selbstinformation durch den im Internet veröffentlichten Haushaltsplan wird erwähnt und vorher aber die Form kritistert, da das “kommunalen [sic!] Finanzmanagement für einen Laien zu komplex und daher nicht in allen Bereichen zu erfassen” ist (S.58).
Als Ergebnis halten die Verfasser der Projektarbeit fest:
“Als Ergebnis des Bürgerbeteiligungsverfahrens im Jahre 2012 in Wuppertal lässt sich zunächst festhalten, dass sowohl die Verwaltung als auch die Politik der Bürgerbeteiligung sehr positiv und unterstützend gegenüber standen. Erfreulich hierbei ist auch, dass die Bürger der Stadt Wuppertal durchaus ihren Willen gezeigt haben, sich zu beteiligen und sich mit einzubringen. […]
Es muss auch kritisch beäugt werden, dass alle Vorschläge der Bürger letztendlich ohne Beschluss entgegen genommen worden sind. […]
Die Bürgerbeteiligung fand in der am 07.05.2012 beschlossenen Haushaltssatzung somit keine Berücksichtigung. Eine Rechenschaft gegenüber den Bürgern im Sinne eines klassischen Bürgerhaushalts hat nicht stattgefunden, was sicherlich daran liegt, dass in Wuppertal ein Bürgerbeteiligungsverfahren durchgeführt wurde, in welchem eine solche Rechenschaft nicht nötig ist. […] Eine Problematik innerhalb des ganzen Bürgerbeteiligungsverfahren scheint eine fehlende Kommunikation über den genauen Ablauf und das genaue Verfahren zwischen der Verwaltung und der Politik zu sein. In den zahlreich geführten Gesprächen kam das Gefühl der gegenseitigen Schuldzuweisung hoch.
Die Politik war sich im Großen und Ganzen darüber einig, dass die Verwaltung bezogen auf die Vorschläge, eine deutlich besserer und inhaltlich ausführlicherer Auswertung hätte in den Rat einbringen müssen. Dann hätten sich die Fraktionen des ein oder anderen Vorschlags auch angenommen und entsprechend mehr daraus gemacht.
Die Verwaltung hingegen verweist darauf, dass sie ab dem Zeitpunkt, an dem das Onlineforum geschlossen wurde und die Auswertung der Vorschläge mit der Ratsvorlage in den Rat eingebracht wurden, nicht mehr zuständig sei. Das Onlineforum blieb jedoch weiterhin verfügbar, so dass alle Informationen zur Verfügung stehen.
[…]
Um dies in Zukunft zu ändern und beide Seiten zufrieden zu stellen, sollten Verwaltung und Politik zur Erreichung ihres gemeinsamen Zieles – einer erfolgreichen Bürgerbeteiligung – einen Schritt aufeinander zugehen um eine Kooperation zu zulassen und sogar zu fördern. Wenn in Kooperation von Verwaltung und Politik an einer erfolgreichen Bürgerbeteiligung der Stadt Wuppertal gearbeitet wird, kann dieses Ziel sicherlich in naher Zukunft erreicht werden.” (S.84 f.)
Dass die Politik der Bürgerbeteiligung
“sehr positiv” gegenüberstehe, ist eine kritische Überprüfung wert. So äußert sich der
CDU-Geschäftsführer Mertins gegenüber den Verfassern der Projektarbeit
zur Bürgerbeteiligung so:
“Auch eine
Beteiligung am Haushalt sei immer schon möglich gewesen. Deshalb sei es
eher fraglich, ob mit einem großen Aufwand überhaupt neue Formen der
Bürgerbeteiligung entwickelt werden müssen. Eine Weiterentwicklung der
Formen der Bürgerbeteiligung sei jedoch unabdingbar.” (S. 74)
Die
Verfasser der Projektarbeit gehen auf diesen Widerspruch zwischen dem
fehlendem Bedarf der Weiterentwicklung der Bürgerbeteiligung und der
Unabdingbarkeit einer Weiterentwicklung nicht ein. Die bestehenden
Formen der Bürgerbeteiligung sind für Mertins übrigens die auf fünf
Jahre gewählten Bezirksvertretungen, das Bauleitplanverfahren und die
bisherigen Möglichkeiten, sich an die Politik zu wenden. Eine Offenheit
gegenüber den Vorschlägen der Bürger ist auch nicht zu erkennen:
“Grundsätzlich
sei eine Bürgerbeteiligung sinnvoll, aber im Fall von Wuppertal habe
diese nicht all zu viel Substanz gebracht, weil der Handlungsspielraum
aufgrund der Haushaltssituation gegen null ginge. Dadurch seien viele
Vorschläge auch einfach nicht passend.” (S. 74)
Später stellt Mertins fest:
“Weiterhin
bliebe festzuhalten, dass die Bürgerbeteiligung hier in Wuppertal noch
keine Bürgerbeteiligung im klassischen Sinne sei.”
Was eine Bürgerbeteiligung im klassischen Sinne ist, wird leider nicht erläutert.
SPD Geschäftsführer Klebert erklärt:
“Die
Meinung der SPD zur Bürgerbeteiligung ist ebenfalls optimistisch.
Deshalb sei auch bewusst zusammen mit der CDU der Antrag gestellt
worden. Dennoch gäbe es auf der Ebene der Kommunalpolitik oftmals die
Problematik, dass die Vorschläge meistens nicht machbar seien und
aufgrund dieser Tatsache einen gewissen Mangel an Qualität haben.”
(S.76)
Ein offensichtlich fehlendes Vertrauen in die Qualität der Vorschläge scheint mir keine Grundlage für eine positive oder optimistische Haltung der Partei zu sein.
Auch die Bewertung der Einstellung der Verwaltung zur Bürgerbeteiligung als sehr positiv und unterstützend, könnte kritischer gesehen werden. Schließlich war man nicht gewillt, für eine professionelle Unterstützung das Angebot der Uni Wuppertal anzunehmen oder andere Angebote einzuholen. Das Bürgerbeteiligung nichts kosten darf, offenbart meiner Meinung nach keine “sehr” positive Einstellung. (Offenbar traut man den Bürgern nicht zu, Vorschläge einzureichen, die Einsparungen von mehr als 75.000 € eingebracht hätten, sodass der Nutzen die Kosten überwogen hätte!) Auch in einer Stellungnahme an das Taljournal schreibt der CDU-Geschäftsführer Mertins: “Leider ist so etwas auch immer mit einem größeren Personalaufwand
verbunden, der bei der momentanen Haushaltslage nur schwer zu leisten
ist”. Der SPD-Geschäftsführer stellt fest, dass der Rahmen der Möglichkeiten keine bessere Bürgerbeteiligung erlaubt hätte (S.76).
Interessant ist auch diese Bemerkung aus einem Gespräch mit Herrn Dölle, Abteilungsleiter der Kämmerei:
“Trotz der
positiven Aspekte wird seitens der Verwaltung eine gewisse Enttäuschung
darüber verspürt, dass die Politik letztendlich die Vorschläge
lediglich ohne Beschluss zur Kenntnis genommen hat und ein Antrag
seitens der Politik nicht zustande gekommen ist.” (S.72)
Er vergisst dabei – und das wirft auch kein gutes Licht auf die Verwaltung- , dass die Fraktionen von FDP und Grüne jeweils Anträge zur Vergrößerung der Bezirksvertretung und zur Reduzierung der Größe des Rates eingebracht haben, eine Forderung, die auch im Online-Forum gestellt wurde. Die Mehrheit des Rates lehnte beide Anträge ab.
Mit ein wenig Boshatigkeit könnte man meinen, der Kämmerer, die SPD und die CDU wären dankbar, dass sie ihren Worten keine Taten folgen lassen konnten
Was aber vor allem – neben “technischen” Unzulänglichkekeiten des Verfahrens – wichtig erscheint ist diese Feststellung im Ergebnis:
“Die Bürgerbeteiligung fand in der am 07.05.2012 beschlossenen Haushaltssatzung somit keine Berücksichtigung.”
Das Projekt Bürgerbeteiligung ist somit in dieser Art der Durchführung gescheitert und es wäre gut, wenn sich Verwaltung und Politik das eingestehen würden und für das nächste Mal die Konsequenzen daraus zögen und die Debatte darüber so zeitnah wie möglich führen würden.