Bürgerbeteiligung: Die Analyse

Da die Verwaltung der Stadt Wuppertal keine eigene Evaluation vorlegt, muss man sich mit der Projektarbeit von acht Studierenden der Fachschule für öffentliche Verwaltung NRW auseinandersetzen. Die Projektarbeit  (Marc Barnekow, Isabelle Blank (u.a.), “Der Bürgerhaushalt als Instrument der Beteiligung bei der Haushaltskonsolidierung, Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, Abteilung Gelsenkirchen, 2012) wird auf der Homepage der Stadt Wuppertal als PDF zur Verfügung gestellt. Die Studierenden sind dabei natürlich auf die Informationen, die die Stadt zu geben bereit ist, angewiesen. Bis auf wenige Ausnahmen stammen die zugrunde liegenden Informationen aus öffentlich zugänglich Dokumenten wie Drucksachen, Niederschriften und Presserklärungen. Lediglich in Kapitel 7.4 “Standpunkte/Positionen zum Bürgerhaushalt” werden Gespräche mit der Verwaltung und der Politik wiedergegeben, die so nicht jedem Bürger zur Verfügung standen. Wie die Verwaltung zur Analyse der Studierenden steht, bleibt unklar, da sie eine eigene schriftliche Evaluation vorerst nicht durchführt.
So wird nicht geklärt, was in der Zeit zwischen der Beschlussfassung (23.Mai 2011) und dem ersten Sachstandsbericht am 22. November 2011 innerhalb der Verwaltung geschah und wie letztendlich die Entscheidung zugunsten der später durchgeführten Form der Bürgerbeteiligung fiel und welche Kriterien zur Anwendung kamen.
Eine Beteiligung Dritter kam nicht zustande. Die Stadt fragte bei der Universität Wuppertal an (und holte keine weiteten Angebote ein), deren Konzept die Stadt laut Kämmerer 75.000 € gekostet hätte. Da eine Finanzierung ebenfalls über Dritte nicht zustande kam, wurde darauf verzichtet.(S.54)

Bürgerforen
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Man entschied sich für drei öffentliche Bürgerforen, eines in Elberfeld (Rathaus) und zwei in Barmen (Färberei und Ratssaal) (S.61), sowie für weitere auf Anfrage für Bürgervereine, Kirchen und Bezirksvertretungen. Diese Form diente – laut Projektarbeit – vor allem der Erklärung der Haushaltslage (S.51). Bei der anschließenden Diskussion konnten Bürger Fragen stellen und Lösungsvorschläge einreichen, von denen “einige” protokolliert wurden (S.62). Was mit diesen protokollierten Vorschlägen geschah, ist unklar. Auch wenn kein geeigneter Sparvorschlag aus den Reihen der Bürger kam, so die Verfasser der Projektarbeit, deren Ursache in der fehlenden Informationslage vor den Veranstaltungen lag, wurden viele Bedenken zur Nachhaltigkeit der Sparvorschläge gemacht und es wurde deutlich, dass “eine Bürgerbeteiligung in Wuppertal auf einem qualitativ hohen Niveau geführt werden kann.”(S.61) Die Verfasser der Projektarbeit kommen zu dem Schluss:

“Bei diesen Veranstaltungen wurden viele zum ersten Mal über den Entwurf des Haushalts- und Haushaltssanierungsplans informiert. Um eine Basis für einen Dialog bezüglich der Konsolidierungsvorschläge zu bilden, hätten bereits im Vorfeld des Beteiligungsprozesses umfassendere Information erfolgen müssen.” (S.62)

An den drei öffentlichen Bürgerforen nahmen 130 Personen teil (20 in Elberfeld, 50 und 60 in Barmen), zu den 23 Sonderveranstaltungen auf Einladung von Bezirksvertretungen, Bürgervereinen, Kirchen, Unternehmen und Bürgervereine kamen 1.400 Interessierte (S.68 f.). Zu den Sonderveranstaltungen stellen die Verfasser der Projektarbeit fest:

“Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Präsentationen auf Einladung Dritter sowohl zur eigenen Informationsbeschaffung, über den Haushalts- und Haushaltssanierungsplan genutzt wurde, als auch zur Wahrnehmung einer aktiven Partizipationsmöglichkeit. Aber auch hier wäre bei einer Aufbereitung der dort unterbreiteten Vorschläge ein Erstellen eines Meinungstrends möglich gewesen.” (S.64)

Leserbrief
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Eine weitere Form der Beteiligung der Bürger war der des Briefes, der besonders im Anschluss an die erste Vorstellung des Haushaltsplans im Februar genutzt wurde. Neben Protest- und Zustimmungsbriefen kamen auch konkrete Vorschläge per Post bei der Stadt an und wurden von der Verwaltung per Aktenvermerk an die Ratsfraktionen weitergeleitet. Aufgrund der Menge der Briefe, deren Zahl zunächst nicht genannt wird, konnten nicht alle persönlich beantwortet werden, bei manchen wurde nur eine Eingangsbestätigung versendet (S.65). Bei einer Zahl von insgesamt 20 Briefen (S.69) ist das peinlich.

“Eine weitere Aufbereitung der Vorschläge ist, wie oben bereits erwähnt, nicht erfolgt.”(S.65)

 Internet-Forum
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Die Bürgerbeteiligung fand außerdem über eine “Diskussionsplattform in Internet” statt, die sich als simples Forum entpuppte, in der die Verwaltung nur als Administrator auftrat. 136 User waren im Forum aktiv, 46 Vorschläge gingen in den sieben
Themenbereichen ein, die Zahl der Zugriffe belief sich auf 14.100 (S.69
f.). Die Verfasser des Projektforums urteilen:

“Dennoch war dort, wo sich ein Meinungsaustausch ergab, zu sehen, dass die Bürger nur allein unter sich diskutierten. Es fehlte an einigen Stellen der Standpunkt der Verwaltung oder der Politik, sodass die Foren schnell einschliefen. Aus diesem Grund sollte, um die Diskussion zu dynamisieren, eine Moderation innerhalb des Forums stattfinden. Dieser Moderator wäre für die Lenkung der Diskussion und Stellung von Nachfragen zuständig. Zudem sollte die Verwaltung sich selbst aktiv an den Diskussionen beteiligen. Dies gilt auch für die Politik. Dieses Bürgerforum ist auf ihre Anordnung hin erstellt worden, daher sollte sie als Initiatorin und auch zur eigen Repräsentation vertreten sein. Gleichzeitig sollten die gewählten Volksvertreter den Kontakt zur Bürgerschaft suchen und jede Möglichkeit des gemeinsamen Diskurses nutzen.”(67 f.)

Außerdem stellen die Verfasser der Projektarbeit fest, dass es den Vorschlägen nicht generell an Qualität mangelt und einige, wenn man diese formal aufbereite, sofort beschlussfähig wären (S.68).

Nach Beendigung des Online-Forums wurde eine statistische Auswertung dem
Ausschuss für Finanzen und Beteiligungssteuerung, dem Hauptausschuss und
dem Rat der Stadt Wuppertal in einer Verwaltungsvorlage vom 20.April
vorgelegt und darauf hingewiesen, dass die Vorschläge online zur Lektüre
zur Verfügung stehen. Von einer strukturierten Vorlage an die Ausschüsse
der Stadt, wie im Beschluss vorgesehen, war nun keine Rede mehr. Eine Auswertung der Vorschläge, so
der Standpunkt der Verwaltung, sei Sache der Parteien, ebenso das
Einbringen durch Anträge im Rat. Warum die Verwaltung auf diesen offensichtlichen Fehler im Beschluss nicht eher hingewiesen hat, wird nicht geklärt. Für die Auswertung durch die Parteien, deren Stadtverordnete sich ehrenamtlich engagieren, waren vom 20.April bis zum 7.Mai
16 Tage Zeit, was von der Projektarbeit nicht kritisch hinterfragt
wird.
Die Verwaltung behauptet, dass jeder Vorschlag im Online-Forum schriftlich beantwortet wurde (S.72). Die Verfasser der Projektarbeit prüfen dies nicht nach. Mein eingebrachter Vorschlag zum Fahrscheinlosen Nahverkehr über das Forum hat keine schriftliche Antwort der Stadtverwaltung erhalten, allerdings war ich bereits vorher mit dem Kämmerer und den Parteien in Kontakt. Warum eine solche Antwort in einem öffentlichen Forum nicht ebenso öffentlich erfolgt ist, wird nicht gesagt und auch nicht hinterfragt.

Außenkommunikation
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Im Kapitel 7.3.2 zeigt die Projektarbeit die Möglichkeiten der medialen Begleitung einer Bürgerbeteiligigung durch klassische und Onlinemedien auf und stellt fest, dass diese Möglichkeiten nicht genutzt wurden (S.60).

“Es zeigt, dass die Wuppertaler Medienlandschaft nur im nötigen Umfang zur passiven Berichterstattung genutzt wurde, statt diese an der aktiven Unterrichtung der Bürger zu involvieren”

Es wurde lediglich “das Nötigste” (S.114) getan, um die Bürger zu informieren. Das führt eine Bürgerbeteiligung ad absurdum.
Die Vermittlung der Haushaltspläne durch den Kämmerer Dr.Slawig wird (zurecht) gelobt. Die Möglichkeit der Selbstinformation durch den im Internet veröffentlichten Haushaltsplan wird erwähnt und vorher aber die Form kritistert, da das “kommunalen [sic!] Finanzmanagement für einen Laien zu komplex und daher nicht in allen Bereichen zu erfassen” ist (S.58).

Ergebnis
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Als Ergebnis halten die Verfasser der Projektarbeit fest:

“Als Ergebnis des Bürgerbeteiligungsverfahrens im Jahre 2012 in Wuppertal lässt sich zunächst festhalten, dass sowohl die Verwaltung als auch die Politik der Bürgerbeteiligung sehr positiv und unterstützend gegenüber standen. Erfreulich hierbei ist auch, dass die Bürger der Stadt Wuppertal durchaus ihren Willen gezeigt haben, sich zu beteiligen und sich mit einzubringen. […]
Es muss auch kritisch beäugt werden, dass alle Vorschläge der Bürger letztendlich ohne Beschluss entgegen genommen worden sind. […]
Die Bürgerbeteiligung fand in der am 07.05.2012 beschlossenen Haushaltssatzung somit keine Berücksichtigung. Eine Rechenschaft gegenüber den Bürgern im Sinne eines klassischen Bürgerhaushalts hat nicht stattgefunden, was sicherlich daran liegt, dass in Wuppertal ein Bürgerbeteiligungsverfahren durchgeführt wurde, in welchem eine solche Rechenschaft nicht nötig ist. […] Eine Problematik innerhalb des ganzen Bürgerbeteiligungsverfahren scheint eine fehlende Kommunikation über den genauen Ablauf und das genaue Verfahren zwischen der Verwaltung und der Politik zu sein. In den zahlreich geführten Gesprächen kam das Gefühl der gegenseitigen Schuldzuweisung hoch.
Die Politik war sich im Großen und Ganzen darüber einig, dass die Verwaltung bezogen auf die Vorschläge, eine deutlich besserer und inhaltlich ausführlicherer Auswertung hätte in den Rat einbringen müssen. Dann hätten sich die Fraktionen des ein oder anderen Vorschlags auch angenommen und entsprechend mehr daraus gemacht.
Die Verwaltung hingegen verweist darauf, dass sie ab dem Zeitpunkt, an dem das Onlineforum geschlossen wurde und die Auswertung der Vorschläge mit der Ratsvorlage in den Rat eingebracht wurden, nicht mehr zuständig sei. Das Onlineforum blieb jedoch weiterhin verfügbar, so dass alle Informationen zur Verfügung stehen.
[…]
Um dies in Zukunft zu ändern und beide Seiten zufrieden zu stellen, sollten Verwaltung und Politik zur Erreichung ihres gemeinsamen Zieles – einer erfolgreichen Bürgerbeteiligung – einen Schritt aufeinander zugehen um eine Kooperation zu zulassen und sogar zu fördern. Wenn in Kooperation von Verwaltung und Politik an einer erfolgreichen Bürgerbeteiligung der Stadt Wuppertal gearbeitet wird, kann dieses Ziel sicherlich in naher Zukunft erreicht werden.” (S.84 f.)

Dass die Politik der Bürgerbeteiligung
“sehr positiv” gegenüberstehe, ist eine kritische Überprüfung wert. So äußert sich der
CDU-Geschäftsführer Mertins gegenüber den Verfassern der Projektarbeit
zur Bürgerbeteiligung so:

“Auch eine
Beteiligung am Haushalt sei immer schon möglich gewesen. Deshalb sei es
eher fraglich, ob mit einem großen Aufwand überhaupt neue Formen der
Bürgerbeteiligung entwickelt werden müssen. Eine Weiterentwicklung der
Formen der Bürgerbeteiligung sei jedoch unabdingbar.” (S. 74)

Die
Verfasser der Projektarbeit gehen auf diesen Widerspruch zwischen dem
fehlendem Bedarf der Weiterentwicklung der Bürgerbeteiligung und der
Unabdingbarkeit einer Weiterentwicklung nicht ein. Die bestehenden
Formen der Bürgerbeteiligung sind für Mertins übrigens die auf fünf
Jahre gewählten Bezirksvertretungen, das Bauleitplanverfahren und die
bisherigen Möglichkeiten, sich an die Politik zu wenden. Eine Offenheit
gegenüber den Vorschlägen der Bürger ist auch nicht zu erkennen:

“Grundsätzlich
sei eine Bürgerbeteiligung sinnvoll, aber im Fall von Wuppertal habe
diese nicht all zu viel Substanz gebracht, weil der Handlungsspielraum
aufgrund der Haushaltssituation gegen null ginge. Dadurch seien viele
Vorschläge auch einfach nicht passend.” (S. 74)

Später stellt Mertins fest:

“Weiterhin
bliebe festzuhalten, dass die Bürgerbeteiligung hier in Wuppertal noch
keine Bürgerbeteiligung im klassischen Sinne sei.”

Was eine Bürgerbeteiligung im klassischen Sinne ist, wird leider nicht erläutert.

SPD Geschäftsführer Klebert erklärt:

“Die
Meinung der SPD zur Bürgerbeteiligung ist ebenfalls optimistisch.
Deshalb sei auch bewusst zusammen mit der CDU der Antrag gestellt
worden. Dennoch gäbe es auf der Ebene der Kommunalpolitik oftmals die
Problematik, dass die Vorschläge meistens nicht machbar seien und
aufgrund dieser Tatsache einen gewissen Mangel an Qualität haben.”
(S.76)

Ein offensichtlich fehlendes Vertrauen in die Qualität der Vorschläge scheint mir keine Grundlage für eine positive oder optimistische Haltung der Partei zu sein. 

Auch die Bewertung der Einstellung der Verwaltung zur Bürgerbeteiligung als sehr positiv und unterstützend, könnte kritischer gesehen werden. Schließlich war man nicht gewillt, für eine professionelle Unterstützung das Angebot der Uni Wuppertal anzunehmen oder andere Angebote einzuholen. Das Bürgerbeteiligung nichts kosten darf, offenbart meiner Meinung nach keine “sehr” positive Einstellung. (Offenbar traut man den Bürgern nicht zu, Vorschläge einzureichen, die Einsparungen von mehr als 75.000 € eingebracht hätten, sodass der Nutzen die Kosten überwogen hätte!) Auch in einer Stellungnahme an das Taljournal schreibt der CDU-Geschäftsführer Mertins: “Leider ist so etwas auch immer mit einem größeren Personalaufwand
verbunden, der bei der momentanen Haushaltslage nur schwer zu leisten
ist”. Der SPD-Geschäftsführer stellt fest, dass der Rahmen der Möglichkeiten keine bessere Bürgerbeteiligung erlaubt hätte (S.76).

Interessant ist auch diese Bemerkung aus einem Gespräch mit Herrn Dölle, Abteilungsleiter der Kämmerei:

“Trotz der
positiven Aspekte wird seitens der Verwaltung eine gewisse Enttäuschung
darüber verspürt, dass die Politik letztendlich die Vorschläge
lediglich ohne Beschluss zur Kenntnis genommen hat und ein Antrag
seitens der Politik nicht zustande gekommen ist.” (S.72)

Er vergisst dabei – und das wirft auch kein gutes Licht auf die Verwaltung- , dass die Fraktionen von FDP und Grüne jeweils Anträge zur Vergrößerung der Bezirksvertretung und zur Reduzierung der Größe des Rates eingebracht haben, eine Forderung, die auch im Online-Forum gestellt wurde. Die Mehrheit des Rates lehnte beide Anträge ab.

Mit ein wenig Boshatigkeit könnte man meinen, der Kämmerer, die SPD und die CDU wären dankbar, dass sie ihren Worten keine Taten folgen lassen konnten

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Was aber vor allem – neben “technischen” Unzulänglichkekeiten des Verfahrens – wichtig erscheint ist diese Feststellung im Ergebnis:

“Die Bürgerbeteiligung fand in der am 07.05.2012 beschlossenen Haushaltssatzung somit keine Berücksichtigung.”

Das Projekt Bürgerbeteiligung ist somit in dieser Art der Durchführung gescheitert und es wäre gut, wenn sich Verwaltung und Politik das eingestehen würden und für das nächste Mal die Konsequenzen daraus zögen und die Debatte darüber so zeitnah wie möglich führen würden.