Am vergangenen Freitag (vor einer Woche) traf sich nach einer längeren Unterbrechung, die durch die Neuwahl des NRW-Landtags entstanden war, der Arbeitskreis “
Bergisch-Energisch” der bergischen Grünen. Dabei wurde auch die im vergangenen
November versprochene Einladung zur Diskussion des Fahrscheinlosen Nahverkehrs eingelöst. Leider war die Diskussion aus Zeitgründen recht kurz, aber wenigstens wurde damit nun ein Einstieg zu einer Debatte zum
Fahrscheinlosen Nahverkehr bei den Grünen geschaffen.
Der grundlegende Tenor der Anwesenden war, dass die Idee des Fahrscheinlosen Nahverkehrs begrüßt wurde, aber vor allem drei Hindernisse genannt wurden:
- Die vertragliche Einbindung in den VRR
Das ist sicher ein dickes Brett. Der VRR als AöR hat vier verschiedene Aufgaben und wirkt in dieser Funktion auf Wuppertal über den Vertragspartner WSW mobil GmbH:
“Die VRR AöR ist Aufgabenträger für den SPNV.Diese
Aufgabe ergibt sich aus dem ÖPNVG NRW. Somit ist der VRR für Planung,
Organisation, Ausgestaltung und Finanzierung des SPNV zuständig.
Die VRR AöR sorgt für einen integrierten ÖPNV.Der
VRR hat die Aufgabe, den VRR-Tarif aufzustellen und auf ein
koordiniertes Angebot im gesamten Verkehrsraum hinzuwirken. Das ergibt
sich aus dem ÖPNVG NRW und der Satzung der VRR AöR.
Die VRR AöR finanziert die ÖPNV-bedingten gemeinschaftlichen Verpflichtungen im Zuständigkeitsgebiet des Zweckverbandes VRR.Diese Aufgabe wurde dem VRR von den Verbandsmitgliedern des ZV VRR übertragen.
Die VRR AöR ist Bewilligungsbehörde für Infrastrukturförderung.Diese
Aufgabe hat das Land Nordrhein-Westfalen der VRR AöR durch das Anfang
2008 novellierte ÖPNV-Gesetz (ÖPNVG NRW) übertragen. Die VRR AöR ist
seitdem für Infrastrukturförderung nach Maßgabe der jeweiligen
Förderrichtlinie zuständig.”
(Vrr.de)
Inwiefern man den VRR ins Boot holen muss (eine der Befürchtungen war, dass die Einführung des Fahrscheinlosen Nahverkehrs nur im gesamten VRR-Gebiet ginge) oder inwiefern eine Ablösung Wuppertals vom VRR möglich ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Das ist etwas, dass es zu recherchieren gilt. Dazu mehr in der nächsten Woche (und zwar
hier). Die
Meinung des VRR verspricht da wenig Chancen zur Zusammenarbeit.
- Die Haushaltssanierung und das Nothaushaltsrecht, welches diese “freiwillige Leistung” verbietet.
Ein Punkt, den auch der
Kämmerer schon erwähnt hat. Man könnte natürlich mit der Bezirksregierung verhandeln, wenn man sich grundsätzlich für den Fahrscheinlosen Nahverkehr entscheidet. Wenn man dann scheitert, hat man es wenigstens versucht. Es geht ja auch darum ein 40-Millionen-Euro-Defizit abzubauen. Andererseits verspricht der Kämmerer bis 2016 einen ausgeglichenen Haushalt – in vier Jahren. Dann könnte man es auch angehen und jetzt anfangen, die politischen Weichen dafür zu stellen. Bange machen gilt also nicht!
- Warum will Wuppertal das alleine machen?
Ein Argument, dass natürlich durch die Zusammensetzung des Arbeitskreises aus mehreren bergischen Städten bedingt, aber deswegen nicht weniger wichtig ist. Macht es Sinn als Stadt Wuppertal mit vielfältigen Verkehrsverbindungen nach Schwelm, Hattingen, Mettmann, Gruiten, Solingen, Remscheid oder Radevormwald sich einzuigeln, “nur” um den Fahrscheinlosen Nahverkehr zu verwirklichen? Schließlich soll der Fahrscheinlose Nahverkehr ja den ÖPNV erweitern und nicht reduzieren.
Sicherlich wäre es begrüßenswert, wenn zum Beispiel das Bergische Städtedreieck das Konzept zusammen umsetzen würde. Doch die Erfahrung lehrt uns, dass es enorm schwierig ist, die drei Städte und ihre Politik auf einen Nenner zu bringen, man sehe die Vereinigung von VHS und Feuerwehr, wo immer einer ausscherte. Ich halte es nicht für durchführbar.
Sollte sich der VRR und der Fahrscheinlose Nahverkehr verbinden lassen, sodass zum Beispiel ein neues Tarifgebiet F (wie Freifahrt…) für Wuppertal entstehen würde, wäre die Weiterführung der interkommunalen Linien kein Problem, da die Kosten auch heute durch den VRR zwischen dern verschiedenen Verkehrsbetrieben verrechnet werden. Bei einem Ausstieg Wuppertals aus dem VRR müsste man neu überlegen und vermutlich individuelle Verträge schließen oder die Linienpläne so aufeinander abstimmen, dass in der Nähe der Stadtgrenze umgestiegen werden kann, was allerdings lästig wäre. Man müsste abwiegen, ob die Vorteile des Fahrscheinlosen Nahverkehr diesen Nachteil wett machen würden.
Darüber hinaus gab es einige Anregungen:
Könnte es nicht die Aufgabe des Fahrscheinlosen Nahverkehrs sein, nicht nur den ÖPNV zu organisieren, sondern ein “Gesamtpaket” bereitzuhalten, wie es die
Rheinbahn im Moment vormacht, allerdings im Rahmen eines Abonnements? Im Ticket 1000 sind 90 Minuten Carsharing bei car2go und 4 Stunden Leihfahrrad bei Nextbike kostenlos enthalten, um mehrere Verkehrsträger mit einem Ticket zu nutzen. Ob diese Integration des Carsharings und des Leihfahrrads in den Fahrscheinlosen Nahverkehr möglich, sogar nötig ist, oder doch eher zu teuer, ist zu diskutieren.
- Fahrscheinloser Nahverkehr als Maßnahme in Folge des Demografischen Wandels
Wir werden immer älter, wir werden immer weniger. Der Fahrscheinlose Nahverkehr ermöglicht älteren Menschen weiterhin Mobilität und damit soziale Teilhabe – als Teil der Miete sogar “all-inclusive”. Eine wichtige Frage dabei: Was passiert mit den Bürgerbussen, die bisher stiefmütterlich versorgte Gebiete versorgen. Kann der Fahrscheinlose Nahverkehr auch in diesem Bereichen eine gute Versorgung gewährleisten? Und wie teuer wird es?
- Kann der Fahrscheinlose Nahverkehrs einen Beitrag zum Projekt “Low Carbon City Wuppertal 2050” leisten?
Das ist eine der Fragen, die der AK Bergisch Energisch Ende 2012/Anfang 2013 in einer ausführlichen Diskussion versuchen will zu beantworten. Die Untersuchung des
Low Carbon City Wuppertal 2050 des
Wuppertal Institut versuchte von Juli 2010 bis Februar 2012
…
“[…]exemplarisch für das schrumpfende Wuppertal mit dem Ansatz eines
Backcastingszenarios in Grundzügen Strategien und Maßnahmen für eine
langfristige zukunftsfähige Stadtentwicklung in den Themen Energie
(Raumwärmebedarf von Wohngebäuden), Verkehr (Städtischer
Personenverkehr) und Stoffstrommanagement (Urban Mining im Hochbau) zu
entwickeln und Hinweise für die zukünftige städtebauliche Entwicklung zu
geben.”
Leider gibt es noch keinen Hinweis auf einen Abschlussbericht, aber da werde ich dran bleiben.