Viel Kritik für die Durchführung der Bürgerbeteiligung

Am 23.Mai 2011 beschloss der Rat der Stadt Wuppertal nahezu einstimmig folgenden Antrag der SPD- und der CDU-Fraktionen:

“Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die Fraktionen von CDU und SPD im Rat der Stadt Wuppertal beantragen, der Rat möge an Stelle der Drs. VO/0353/11 beschließen:
• Die Verwaltung bietet für die Haushaltsplanberatung 2011 unter Mitwirkung der Bezirksvertretungen und der Heimat- und Bürgervereine Beteiligungsmöglichkeiten für alle Wuppertalerinnen und Wuppertaler an den Haushaltsplanberatungen 2011 an. Die nach der Einbringung des Haushaltsplanentwurfes in den Rat beginnen und vor den Beratungen in den Fachausschüssen durchgeführt werden.
• Geeignete Beteiligungsmöglichkeiten werden von der Verwaltung auch online unterstützt angeboten.
• Nach der Verabschiedung des Haushaltsplanes 2012 / 2013 wird dem Ausschuss für Finanzen und Beteiligungssteuerung und gemeinsamen BA APH / KIJU ausführlich und schriftlich die zu erstellenden Evaluation des Beteiligungsverfahrens dargestellt. Nach der Auswertung und Beratung der Evaluation legt der Ausschuss dem Rat eine Beschlussempfehlung zum weiteren Umgang mit dem o. g. Beteiligungsverfahren vor.
• Bei der Vorbereitung der Beteiligungsverfahren, der Durchführung und der Evaluation sind im geeigneten Rahmen und unter Berücksichtigung der Vorgaben der vorläufigen Haushaltsführung Dritte, wie die Bergische Universität, zu beteiligen”

Drucksache VO/0461/11

So lautete der Auftrag des Dienstherren und obersten Organ der kommunalen Selbstverwaltung an die Verwaltung. Wie sieht’s nun mit der Umsetzung aus? 
Die FDP bemängelt die Auswertung der Bürgerbeteiligung, da diese nicht inhaltlich stattgefunden hat. Ein Aufbereitung in den Ausschüssen und im Rat fand nicht statt. Außerdem bemängelt die FDP, dass ihr als kleiner Fraktion die Zeit zur Auseinandersetzung mit dem Online-Forum gefehlt habe. 
Die CDU ist weitgehend zufrieden mit den verschiedenen Formen der Bürgerbeteiligung und wünscht sich mehr Interaktivität zwischen Bürger und Verwaltung – also nicht mit dem Rat – sieht da aber finanzielle Probleme. 
Die Grünen kritisieren neben dem grundsätzlichen Wunsch nach einer anderen Form der Bürgerbeteiligung als Bürgerhaushalt die Umsetzung der Vorlage. “Das groß angekündigte Internettool zur Beteiligung entpuppte sich als simples Internetforum […], die Bürgerforen waren schlecht organisiert, mangelhaft beworben (so dass die Teilnehmerzahl für beide Foren insgesamt bei ca. 30 Personen lag) und die dort eingebrachten Diskussionsbeiträge der Bürgerinnen und Bürger wurden auch nirgendwo festgehalten und den Ratsmitgliedern zur Beratung vorgelegt.” Darüber hinaus kritisieren die Grünen die unzureichende Aufarbeitung des Online-Forums seitens Verwaltung für die ehrenamtlich tätigen Stadtverordneten.
Die SPD bemängelt, dass die Bürger allein gelassen wurden und schließt sich, wenngleich nicht ganz so harsch (“durchaus verbesserungswürdig”), der Kritik von FDP und Grüne an der Auswertung an. Auch die fehlende aktive inhaltliche Auseinandersetzung wird von der SPD wie von allen anderen Parteien kritisiert. Die SPD und CDU betonen noch mal die anderen Formen der Bürgerbeteiligung, die SPD sieht eine “Vielzahl von Veranstaltungen”. An mir wie an den Grünen scheinen diese Vorbeigegangen zu seien, denn ich habe ebenso wie Marc Schulz von den Grünen nur von zwei Bürgerforen (eins davon habe ich besucht) gehört. Der Newsletter der Stadt hat meine Erinnerung nach kaum auf Veranstaltungen hingewiesen, auch die Homepage der Stadt hat die Termine eher versteckt. Inwiefern die Ratsmitglieder davon etwas haben, wenn sie nicht anwesend sind und keine schriftliche Zusammenfassung bekommen, ist fragwürdig.

Ergänzung vom 21.Juni 2012:
Wenig überraschend kritisiert auch Die Linke-Fraktion im Stadtrat die Bürgerbeteiligung und würde ebenso wie die
Grünen die Zusammenarbeit mit der Bergischen Uni (siehe Link) begrüßen.
Leicht widersprüchlich bleibt, dass sie aber aus ihrer Ablehnung des
Haushaltsicherungskonzptes heraus jeglicher Befragung der Bürger zu
Kürzungen negativ gegenübersteht. Wenn man aber wie die Linke wissen will, welche Bedüfnisse an an sozialer, politischer und kultureller Infrastruktur gebraucht und gewünscht wird und eine offen Diksussion dazu möchte, muss man auch Kürzungen akzeptieren, wenn diese eine Mehrheit erlangen. 
Ende der Ergänzung

Oberbürgermeister Jung ist der Meinung, dass die Verwaltung die Bürgerbeteiligung auftragsgemäß durchgeführt hat. Eine Annahme, die ich nicht nachvollziehen kann. Die Beschlussvorlage sieht eine Auswertung nach dem Abschluss des
Haushaltsplanes 2012/2013 im Finanzausschuss vor und ebenso eine
Beschlussempfehlung. In der nächsten Sitzung dieses Ausschusses am 26.Juni spielt die Bürgerbeteiligung keine Rolle. Außerdem betont der OB, dass man sich noch nicht am Ende des Diskussionsprozesses befände, was sicherlich zutreffend ist, wenn man die Kritik betrachtet, die die Durchführung bei den Parteien des Rats ausgelöst hat.
Ich bin erfreut, dass sich der Oberbürgermeister und die vier Parteien so ausführlich und offen hier geäußert haben und bewiesen haben, dass sie auch zu einer Auseinandersetzung in Schriftform bereit und fähig sind, auch wenn SPD und Grünen einen zweiten Anstupser benötigten. Ich hoffe, dass ich die Diskussion noch einmal befeuern konnte und möchte dies weiter tun:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung, 
ich möchte noch einmal auf unseren Mail-Wechsel vor einem Monat zum Thema Bürgerbeteiligung zur Haushaltsberatung zurückkommen. Sie haben damals (16.05.12) geäußert, dass die Stadt den Beschluss der VO/0461/11 auftragsgemäß ausgeführt habe. Vielleicht haben Sie die Kritik der Fraktionen in diesem Blog zur Kenntnis genommen. Außerdem möchte ich Sie noch einmal auf den Wortlaut der Drucksache aufmerksam machen und dazu folgendes fragen: 
1.Laut VO/0461/11 soll nach der Verabschiedung des Haushaltsplanes 2012 / 2013 der Ausschuss für Finanzen und Beteiligungssteuerung und gemeinsamen BA APH / KIJU ausführlich und schriftlich die zu erstellenden Evaluation des Beteiligungsverfahrens (nicht nur des Online-Forums!) dargestellt werden. Aus dem Ausschuss soll dann eine Beschlussempfehlung für den Rat kommen. Wann wird dies geschehen?

2.Inwiefern wurden bei der Vorbereitung, der Durchführung und der Evaluation Dritte, (“wie die bergische Universität”) beteiligt. Falls dies nicht geschah – warum nicht?

An die Adresse der Fraktionen gehen in diesem Minuten folgende Fragen: 
Sehr geehrter Herr Suika, sehr geehrter Herr Mertins, sehr geehrter Herr Schulz, sehr geehrter Herr Klebert, 
sind Sie der Auffassung, dass die Verwaltung den Ratsbeschluss zur Bürgerbeteiligung vom 23.Mai 2011 ordnungs- und auftragsgemäß ausgeführt hat?
Die Antworten werden, so es erlaubt wird, natürlich auch wieder hier veröffentlicht. 
FDP, Grüne, SPD: Ratsauftrag zur Bürgerbeteiligung wurde (noch) nicht erfüllt
Wuppertal auf dem Weg zur “Liquid Democracy?