Die FDP-Ratsfraktion zum Fahrscheinlosen Nahverkehr

Wie heute morgen bereits angekündigt, nun die Antwort der FDP-Ratsfraktion zum Fahrscheinlosen Nahverkehr aus der Email vom Fratkionsvorsitzenden Jörn Suika. Ich habe mir erlaubt meine Einwände zu einigen Punkten einzuschieben.

“[…] Auch ihren persönlichen Vorschlag eines fahrscheinlosen Nahverkehrs haben wir nach interner Abstimmung abgelehnt:

Ganz
abgesehen von der technischen Frage, wie sich eine solche Lösung in
einer Ballungsregion, in der die Finanzierung und Nutzung des ÖPNV stark
verflochten sind, umsetzen lässt, hat ihr Vorschlag unserer Ansicht
nach einen schwerwiegenden Hacken: 
Er ist nämlich in erster Linie ein Vorschlag, der rein gar nichts mit dem Thema Haushaltskonsolidierung zu tun hat!”
Tja, das kann man natürlich so sehen. Andererseits spült die Idee 40 Mio. € in den Haushalt, sofern sich das im Einvernehmen mit der Bezirksregierung so umsetzen lässt, wie ich mir das vorstelle. Ich biete Ihnen Einnahmen in Höhe des Haushaltsdefizits im Rahmen des Stärkungspakts Stadtfinanzen. Über technische, juristische oder andere Hürden können wir gerne diskutieren, aber das Argument, dass eine Einnahmensteigerung nichts mit Haushaltskonsolidierung zu tun hat, halte ich für wenig hilfreich.

“Sie
wollen lediglich die Finanzierung des ÖPNVs durch die massivste
Steuererhöhung, die jemals eine deutsche Kommune gesehen hätte,
umstrukturieren. Alleine die Verlagerung der rd. 60 Mio. € Umsatzerlöse
der WSW mobil GmbH auf die Grundsteuer B würde eine Verdopplung des
Steuersatzes bedeuten und läge somit höher, als das ganze jetzt im Rat
beschlossene Sparpaket. Dadurch ist aber noch kein einziger Cent in der
Stadtkasse als Mehreinnahmen oder Minderausgaben gelandet.”

Ich kann verstehen, dass die FDP beim Thema Steuererhöhungen natürlich nicht “amused” ist. Aber nehmen wir einmal an, wir würden Grundsteuer B erhöhen, um die 60 Mio.€ Umsatzerlöse zu ersetzen und im Gegenzug den Nahverkehr fahrscheinlos machen. Der ÖPNV ist dann für jeden jederzeit im Rahmen des Fahrplans ein konkretes, einfaches Mobilitätsangebot. Wie viele Menschen würden dauerhaft umsteigen? Wie viele würden den Drittwagen abschaffen? Wie viele würden den Zweitwagen abschaffen? Wir wissen es nicht. Ich finde das ist eine ungemein interessante Frage, der es sich nachzugehen lohnt.
Heiner
Monheim, Professor für Raumentwicklung an der Universität Trier, beziffert das Defizit des Autoverkehrs pro Kopf pro Jahr auf 160 € in den Kommunen Deutschlands. Wie teuer kommt der Autoverkehr eigentlich die Stadt Wuppertal? Wieviel Geld stecken wir in Asphalt und Beton? Wie viel Prozent der Gewerbesteuer und Grundsteuereinnahmen von IKEA müssen wir in Straßenbau und Unterhaltung investieren? In welcher Größenordnung können wir dieses Defizit verringern und Minderausgaben erreichen? Ich weiß es nicht. Aber es gibt niemanden der meine Fragen beantworten kann. 
Wenn wir uns das – zugegeben – schwer vergleichbare Hasselt ansehen, sehen wir, dass man dort zweispurige Straßen zurückbauen konnte und nicht mehr unterhalten musste. Hasselt hat 30% mehr Besucher und die Geschäfte mehr Umsatz.
Ich bin überzeugt, dass der Fahrscheinlose Nahverkehr Mehreinnahmen z.B. bei den Einzelhändlern der Elberfelder City generieren wird und Minderausgaben z.B. im Tiefbauamt schaffen wird.
“Sie
bieten dann als Bonbon noch an, dass man auch das bisher in der
WSW-Holding querfinanzierte Defizit der Verkehrssparte von mittlerweile
über 50 Mio. € über eine Erhöhung der Grundsteuer B finanzieren könnte,
um so zu einer Verbesserung im städtische Haushalt zu kommen. Sie wollen
also das ganze Sparpaket alleine über eine Erhöhung der Grundsteuer B
abdecken!
Damit wären wir dann bei einer Verdreifachung der Grundsteuer B.
(Noch nicht berücksichtigt ist dann der Anteil der Steuererhöhung, den
die Stadt durch die Kosten der Unterkunft für ALG-2-Bezieher selber an
sich bezahlen muss.)
Diese Verdreifachung der Grundsteuer wäre
unseres Erachtens nach der Todesstoß für unsere Stadt! Das wären z.B.
für ein normales Einfamilienhaus mehrere tausend Euro zusätzliche
Steuern im Jahr. Damit würde man endgültig Unternehmen und berufstätige
Einwohner aus der Stadt drängen!
Daher lehnen wir diesen Vorstoß verständlicher Weise ab.”
Die Kosten sind natürlich ein großes Problem. Ich kann leider nicht mit meinen Mitteln eine vernünftige Rechnung anstellen, aus der hervorgeht, wie hoch die Belastung wäre, schließlich zahlen ja nicht nur alle Haushalte die Grundsteuer B, sondern auch die Betriebe. Nehmen wir ein Beispiel: 
Ich habe 2010 82,94 € Grundsteuer B gezahlt. Verdreifachen wir die Summe, sind wir bei 248,82 €. Ein Ticket 1000 in der Kategorie A2 kostet im Monat 54,83 €, macht im Jahr 657,96 €. Bezöge ich das niedrigste mögliche Abonnement des VRR, würde diese dramatische Grundsteuer B -Erhöhung eine Ersparnis von 409,14 € im Jahr bedeuten. (Noch ein Konjunktiv: Wenn ich alleine leben würde.) 
Alle WSW/DB/Regiobahn-Abonennten würden hierbei sparen – zu Ungunsten der Autofahrer, keine Frage. Aber auch diese profitieren von weniger Verkehr und einer Stadt, die in ihre Straßen investieren kann, anstatt nur Schlaglöcher zu verfüllen. Und wir dürfen nicht vergessen – in den meisten Haushalten leben mehrere Menschen, die die Last schultern können. Die Familie im Einfamilienhaus zahlt mehr, spart aber das Schokoticket für die zwei Kinder. Es gibt einen Personenkreis, der sparen wird (man könnte es fast eine Steuersenkung nennen…) und einen, der mehr zahlt, aber dafür eine Stadt mit Perspektive bekommt. 
Zu guter Letzt noch zum Einwand, dass die Stadt über die Kosten der ALG II-Bezieher deren Anteil selbst bezahlt. Das stimmt. Leider konnte mir bisher niemand sagen, wie stark die Belastung dadurch wäre und das macht den Umgang mit diesem Punkt schwierig. Vielleicht können Sie mir da Zahlen nennen? 
Allerdings möchte ich zu bedenken geben, dass die derzeitige Situation nicht wirklich optimal ist. Im Budget von Hartz IV sind 22 Euro für den Nahverkehr vorgesehen. Das sind 9 Fahrten bei Einzeltickets á 2,40 € im Monat. Wollen wir so mit unseren weniger glücklichen Mitmenschen umgehen?