Weiße Demut

Heute wurde in der Rheinstraße der Asphalt endgültig von Schnee und Eis befreit. Nachdem der Räumdienst gestern da war und nur den Schnee vom Eis gekratzt und gestreut hat, wurde heute alles frei geräumt – und nun schneit es wieder zu. Ich sitze im Warmen, die vorweihnachtliche Lichterkette brennt und draußen ist es weiß. Ich bin zufrieden – und damit anscheinend ziemlich allein. 
Wenn man die Kinder des Tals ausklammert, scheint jeder über den Schnee, den Winter, die Stadt, das Auto, den Nachbarn, die WSW, die Busfahrer, nasse Schuhe, den Autofahrer vor einem, (oder was was ich!) zu meckern. Einige meckern zu Recht, das gebe ich gerne zu, andere meckern nur aus Prinzip und aus Dummheit. Doch eins sollte uns der Schnee alle lehren: Demut. 
Wir mögen ein hochtechnisiertes Land sein. Der Kühlschrank kann Lebensmittel bestellen und Crushed-Ice auf Wunsch zubereiten. Wir können zum Mond fliegen. Wir können mit fast allen Völkern der Welt online pokern. 
Und wenn es schneit, dann bricht die Welt zusammen. Dann müssen wir früher aufstehen, um Schnee zu schippen. Das die Bundesregierung nchts dagegen tut! Dann müssen wir 15 Minuten auf den Bus warten. In dieser Kälte! Die Landesregierung sollte Handschuhe verteilen! Und warme Unterhosen. Und wo bleibt eigentlich das Technische Hilfswerk? Es steckt auf einer nichtgeräumten Hauptstraße fest, denn aufgrund aufgebrachter “Bürger” hat die Stadt dieses Jahr beschlossen, beim Räumen alphabetisch vorzugehen. Die Straßen Adamsbusch bis Aue werden gerade geräumt. 
Wir müssen aufpassen, wenn Gehwege und Straßen nicht geräumt sind. Wir kommen langsamer voran. Wir kommen manchmal gar nicht. Wir müssen uns umstellen. Wir müssen auf das ein oder andere verzichten. Sportunterricht zum Beispiel. Fussball spielen. Den Zweitwagen, der noch Sommerreifen hat. Die Fahrt zum Schwimmbad. Spazierengehen im Wald vielleicht. Auf eine halbe Stunde Freizeit, die wir für den Weg länger brauchen. Die Männer von den Räumfahrzeugen schieben Überstunden, die sie nicht bei ihren Familien sind.
Ja, wir müssen uns einschränken. Wir müssen uns mehr anstrengen. Es ist beschwerlich. Nicht immer angenehm. Zum Teil mühselig. Ja, ich hab’ leicht reden, meine Wintermühen halten sich in Grenzen. Dennoch: Bei allem Luxus, bei aller Technik, bei aller Bequemlichkeit, die wir uns leisten: Wir sollten es akzeptieren. Demütig. 
Es ist Winter.
Und ist es nicht wunderbar wie der Schnee unsere Welt verändern kann? Und wie leise es ist, wenn er fällt. Wie hell die Nächte sind. Und wie er die Hässlichkeit der kahlen Winterwelt zu verbergen weiß.
P.S.:
Die Stadt informiert: Winterdienst in Wuppertal: Die Fakten.