Le tramway, c'est chic

Das Wetter draußen lädt zum Träumen ein. Ich stieß heute auf einen Radiobeitrag von Bayern 2, der als 26minütiger Podcast online verfügbar ist. Es geht um eine Renaissance auf Schienen, genauer, die Wiedergeburt der Straßenbahn in Frankreich:

Le tramway, c’est chic

Ich hatte letztes Jahr im September die Möglichkeit die “Tramway” von Montpellier -leider nur von außen- zu bewundern. Da sie in dem Beitrag häufig vorkommt, stelle ich zwei Bilder ein und anschließend will ich noch etwas träumen.
Linie 1 in der Innenstadt
Linie 2 am Bahnhof.
Sind es nicht schöne Fahrzeuge? Ja, sind sie, und sie fahren völlig unabhängig vom Autoverkehr. Sie sind schön anzusehen, leise und beliebt. Le tramway moderne. Die Franzosen verhelfen der Straßenbahn zu einem unglaublichem Comeback. Sie haben erkannt, dass auch ein sechsstreifiger Ausbau der Straßen Verkehrsprobleme nicht lösen können. Je breiter eine Straße ist, desto mehr Autofahrer benutzen sie, bis sie verstopft ist. Auch in Deutschland fängt ein Umdenken an. Hamburg baut eine neue Stadtbahn, in München wird gebaut, Düsseldorf verbuddelt die Straßenbahn wieder, Köln macht das gleiche nur, dilettantischer. Und in Wuppertal? In Wuppertal ist das innovativste, bequemste und schönste Fortbewegungsmittel über 100 Jahre alt und wird so dilettantisch erneuert wie in Köln gebuddelt wird. Ohne den fleißigen und unermüdlichen Einsatz der Bergischen Museumsbahnen würde im Tal keine Straßenbahn mehr fahren. Das Straßenbahnmuseum hat nach dem von-der-Heydt-Museum die höchsten Besucherzahlen im Tal. Das Wuppertal war einmal an der Spitze der Moderne. Versetzen wir uns zurück in die 20er Jahre und sehen vor unseren Augen die Schwebebahn, wo jeder Wagen ein Kaiserwagen ist, die Straßenbahn in Elberfelder Meterspur oder Barmer Normalspur und die Barmer Bergbahn, einst die erste zweigleisige elektrische Zahnradbahn der Welt vorbeiziehen. Wuppertal war modern, innovativ und lebendig. Nach dem Zweiten Weltkrieg glaubte man an unendliche Ölreserven und das Zeitalter des Individualverkehrs. Doch das hat sich in vielen – nicht allen- Teilen als Illusion herausgestellt. Und heute? Eugen Langen würde man vermutlich auslachen und lieber eine Kreuzung planieren. Findest Du, lieber Leser, den Alten Markt schön? Den Döppersberg? Das Sonnborner Kreuz? Den Überflieger auf Lichtscheid? Den Robert-Daum-Platz? Asphalt, wohin das Auge reicht, genervte Autofahrer, Gehupe, stille Flüche. Und wenn dann ein Krankenwagen kommt, mit Blaulicht und Martinshorn einen Notfall verkündend, ein Menschenleben ist in Gefahr, dann ist der Autofahrer regelmäßig damit überfordert den Weg frei zu machen. Wuppertal, wohin ist Deine Kraft? Wohin ist Dein Mut gegangen? Wer würde sich heute noch trauen, eine Hängebahn nach System Langen zu bauen? Wer? Dabei könnte es doch so schön sein. Ein moderne Straßenbahn kommt heran, alle zehn Minuten oder öfter, man steigt zum Beispiel in Cronenberg ein und gleitet über die Hauptsstraße auf einem Rasengleis zum Cronenfeld, am Kaisergarten hinauf zum Hahnerberg. Dort geht es weiter über die Jägerhofstr. zur Augustastr., nunmehr unter den großen Bäumen auf der Straße fahrend, an der Stadthalle über die Südstr. vorbei zum Wall und dann wieder auf Rasengleisen die Uellendahler Straße hinauf an allem Autoverkehr und Stau vorbei zur Raukamp Schleife.

Oder vielleicht von der Schwarzbach hinab nach Oberbarmen, dann Wupperfeld hinauf durchs Musikerviertel nach Lichtscheid, fast lautlos, ohne das Dröhnen des Busdiesels, der es kaum schafft, von der Stelle zu kommen, am Toelle-Turm vorbei zu den neuen Gewerbegebieten an den Ronsdorfer Kasernen und dann hinab zum alten Stadtbahnhof nach Ronsdorf.
Wie wär’s, vom Eckbusch die Briller Straße runter zu fahren, dort wo es breit genug ist, auf Rasengleisen. Am Briller Kreuz über die Nordstadt und den Neumarkt zum Hauptbahnhof weiter hinauf zur Universität, zum W-Tec, zur Bergischen Sonne nach Ronsdorf, oder vom Briller Kreuz hinab zum Robert-Daum-Platz, durch die Neumarktstr zum Neuenteich, zum Landgericht, ein Stück parallel zur Schwebebahn und dann zum Barmer Klinkum.

Ja, heute ist ein Tag zum Träumen. Denn wer in unserer Stadt würde sich trauen, den defizitären Autoverkehr zu benachteiligen? Ihn einer Fahrspur zu “berauben”, gar eines Parkplatzes, oder einer Abbiegespur? Wer würde mit mir träumen, dass der Stadtrat einmal etwas modernes beschließt, etwas progressives, etwas mit Mut? Und nicht das 25.Parkhaus in der Innenstadt? Ja, wer vermag heute noch zu träumen, dass Städte sich verändern können und dass es keine mehrspurigen Straßen und Reihenhausklonen auf der grüne Wiese bedarf, um attraktiv zu sein? Wer mag mit mir von davon träumen, dass man einst wieder sagen kann: “Die Straßenbahn? Oh ja, die ist schick.”